Übersicht der Text

 

  • Schulzeit
  • Berufsfindung
  • Hobby´s in der Jugend
  • Ernährung und Essen in den 50iger Jahren
  • Reisen in den 50iger Jahren
  • Einkaufen im Wandel der Zeit
  • Unsere erste Wohnung
  • Kriegsversehrte in den 1950er Jahren
Schulkind Jutta Loose
Schulkind Jutta Loose

Schulzeit

 

Wie schon erwähnt, wohnten wir genau an einer Grenzlinie zwischen Oberhausen und Mülheim an der Ruhr, meine Großeltern auf Oberhausener Seite, meine Eltern auf der Mülheimer Seite. Den Mülheimer Teil des großen Grundstücks, das meinem Großvater gehörte, kauften meine Eltern ihm ja ab. In unserer Straße standen weitere 5 Häuser auf der Mülheimer Seite, im angrenzenden Teil von Oberhausen waren es mit geräumigem Abstand 6 Häuser. Bis zur Stadtmitte von Oberhausen war die Bebauung auf den ersten 2 Kilometern immer noch sehr spärlich. Es gab zwischen den wenigen Häusern viele Freiflächen, meist von hohen Hecken umzäunt. Es war also eine recht einsame Gegend bei uns.

 

Als die Zeit kam, dass ich zur Schule angemeldet werden sollte, wollten mich meine Eltern den Weg zur Schule nicht alleine gehen lassen, denn ich hätte als Mülheimerin normalerweise in Mülheim-Oberdümpten zur Schule gehen müssen. Der Weg nach Mülheim gestaltete sich jedoch so, dass der Weg im ersten Abschnitt ca. für 30 Minuten nur durch Felder verlief.

 

Die Volksschule in Oberhausen dagegen war ganz in unserer Nähe. Dieser Weg von unserer Wohnung bis zur Schönefeld Schule betrug höchstens 5 Minuten. Deshalb stellten meine Eltern einen Antrag an der Oberhausener Schule für den anstehenden Schulbesuch.

 

Schulbesuch in Oberhausen

 

Im Herbst 1955 ging meine Mutter mit mir deshalb zum dortigen Rektor. Dieser sprach zunächst mit meiner Mutter und anschließend mit mir. So wollte er wissen, ob ich gerne zur Schule gehen möchte und ob ich schon schreiben könne. Ich musste eine Blume zeichnen und einige kleine Rechenaufgaben lösen: 1+3, 4-2 usw.. Ferner fragte er mich nach persönlichen Dingen, z.B wie oft ich meine Hände waschen würde, wie die Fingernägel auszusehen hätten, wann ich abends ins Bett müsste. Während der gesamten Zeit war er uns freundlich zugewandt. Zum Schluss sah er sich meine Hände an und danach konnten wir, mit dem Hinweis, meine Eltern bekämen Bescheid, wieder gehen.

 

Nach 2 Wochen Ungewissheit kam die erlösende Nachricht, dass ich in Oberhausen in die Schönefeld Schule gehen konnte, was innerhalb der Familie mit großer Erleichterung aufgenommen wurde. Somit hatte ich nur einen Schulweg von knapp 5 Minuten und fieberte dem Tag meiner Einschulung entgegen; der war endlich 1956 nach den Osterferien.

 

Einschulung 1956

 

Für diesen besonderen Tag bekam ich einen Tornister in mittelbraunem Leder und war richtig stolz, als ich ihn zum ersten Mal aufsetzen konnte. Meine Mutter hatte mir viele Tafelläppchen aus weißer Baumwolle gehäkelt. Eines davon hing an einer ebenfalls gehäkelten Schnur außen am Tornister und tanzte bei jedem meiner Schritte hin und her.

 

In dem Tornister befand sich meine Schiefertafel in einer Schutzhülle, ein Gummidöschen mit einem nassen Schwämmchen zur Reinigung der Tafel, ausserdem eine Griffeldose mit Einschulungentsprechenden Griffeln sowie meine Fibel.

 

Zur damaligen Zeit war es so, dass nur ein Elternteil das Kind zur Einschulung begleitete. Somit ging meine Mutter mit mir zur Schule. Wir wurden in meinen zukünftigen Klassenraum geführt. Ich aber war gänzlich enttäuscht, denn ich hatte mir meine Schulklasse ganz anders vorgestellt.

 

Danach mussten die Mütter und Väter die Klasse verlassen. In den nächsten beiden Stunden wurden uns Verhaltensregeln aufgezeigt, der Stundenplan ausgehändigt und weitere Dinge erklärt. Danach wurden vor der Schule von einem Fotografen noch Bilder gemacht, die einige Tage später in seinem Atelier abgeholt werden konnten.

 

Ab jetzt an so einem verschmutzten Platz sitzen zu müssen, beschäftigte mich die gesamte Zeit, und ich konnte kaum zuhören. Meine Stimmung besserte sich erst, als meine Mutter mich mit einer großen Schultüte abholte. Andächtig trug ich sie nach Hause, denn nun konnte jeder sehen, dass ich eine Schülerin war.

 

Schönefeld Schule

 

Die Schönefeld Schule war eine sehr kleine und alte Schule mit 4 Klassenzimmern für die unteren Stufen, einer Aula im alten Teil der Schule und einem Anbau für die höheren Klassen. Die Aula wurde seinerzeit ebenfalls als Klassenzimmer genutzt, wenn keinerlei andere Aktivitäten stattfanden. Zwar hatte die Schule ein großes Portal zur Straßenseite hin, aber wir gingen durch einen Seiteneingang hinein. Dies war ein aus Glasbausteinen bestehender lang gezogener Gang mit Überdachung, an dessen Ende die Toiletten für uns Schüler und das Lehrerkollegium waren. Der Gang war wie eine Arkade zum Schulhof hin offen.

 

Jeden Morgen zum Schulbeginn und nach der täglichen großen Pause mussten wir uns auf dem Schulhof nach dem Läuten unserer Klassenzugehörigkeit entsprechend in Zweierreihen aufstellen. Danach wurden wir von unserem Lehrpersonal in die Klasse geordnet begleitet. Die Klassenräume mit ihren hohen Decken wirkten durch ihre hohen und zahlreichen Fenster reDie Lehrer

 

Meine erste Lehrerin unterrichtete uns nur eine kurze Zeit. Sie war sehr streng, hatte ständig den Zeigestock in der Hand und drohte uns, dass diejenigen diesen Stock zu spüren bekämen, die nicht gehorsam wären, den Unterricht störten oder die Hausaufgaben nicht machten. Nach etwa 3 Wochen hieß es, sie sei erkrankt. Sie kam nie wieder und damit auch nicht mehr die Drohgebärden mit dem Zeigestock.

 

Einige Monate später bekamen wir eine neue Klassenlehrerin, die wir Schüler alle auf Anhieb mochten. Bis dahin unterrichtete uns meist unser Rektor.

 

Unser Rektor war schon älter, wirkte unnahbar, und wir bekamen ihn kaum zu sehen. Bei ihm mussten wir unter seiner Aufsicht die Sütterlin-Schrift erlernen, was vielen sehr schwer fiel. Besonders das Lesen solcher Texte brachte einige an ihre Grenzen. – In meinem späteren Beruf kam mir die erlernte Schriftart zugute, denn extrem viele Patienten schrieben ihre Wünsche und Briefe in dieser Form.

 

Ein Einzelkind zu sein, war zur damaligen Zeit ungewöhnlich; dabei waren drei Schülerinnen unserer Klasse auch ohne Geschwister. Ich konnte mir nicht erklären, warum uns von unseren älteren Lehrern Vorbehalte entgegengebracht wurden, etwa in der Art, dass Einzelkinder sich einbildeten, etwas Besonderes zu sein, sie könnten schließlich nicht teilen, da sie nicht gelernt hätten, was es bedeutet, in der Gemeinschaft einer Großfamilie zu leben. Dabei habe ich soziales Verhalten von meinen Eltern vorgelebt bekommen.

 

Eines Tages wurde es mir zu viel, ich fühlte mich ungerecht behandelt. Ich stand auf, stellte mich vor unseren Rektor hin und machte meiner Empörung Luft. Ich fragte ihn ganz ruhig, wo er denn seine Augen hätte, schließlich teilte ich mein Pausenbrot immer wieder zur Hälfte mit einem Schulkameraden. Außerdem würde ich immer wieder meinen Kakao teilen, mein Obst abgeben. Und was ich außerhalb der Klassengemeinschaft täte, könne er ja gar nicht wissen. Ich bat ihn, seine Worte über mich als Einzelkind nicht mehr zu wiederholen. Dann begab ich mich wieder auf meinen Platz. Seither haben meine Schulfreundinnen und ich nie wieder etwas zu diesem Thema gehört.

 

Das Lehrerkollegium war insgesamt schon nahe dem Rentenalter und darüber hinaus. Das änderte sich mit meinem 2. Schuljahr. Innerhalb kurzer Zeit wurde das gesamte Lehrerkollegium ausgewechselt, was bedeutete, es folgte eine neue Generation von jungen Lehrern. Ich war sehr froh, dass unsere Klassenlehrerin bleiben konnte. Sie war eine entspannte und eine uns Kindern zugewandte freundliche Person, und wir mochten sie alle. Leider blieb sie nur ein Jahr.

 

Nichtsdestotrotz fand ich auch die Lehrer, die nach ihr kamen, unheimlich toll, weil sie ein ganz anders Lehrkonzept hatten. Der Unterricht selbst wurde lebhafter, wir wurden auf Dinge eingestimmt, die früher überhaupt nicht denkbar waren. War der Stundenablauf bis dahin eher stupide, so wurde es jetzt abwechslungsreicher. Auch der Umgangston mit uns Schülern wurde lockerer, und wir sahen die Lehrer häufiger freundlich lächeln. Im Unterricht wurden die Themen nun intensiv gemeinsam durchgesprochen; wir haben uns also nicht nur gemeldet, um entweder die richtige oder aber eine falsche Antwort zu geben. Aufsätze wurden nicht nur benotet, sondern wir haben sie vorgelesen. Anschließend konnten die anderen Schüler Stellung dazu beziehen, ob ihnen der Text gefallen hat oder nicht. Es stand auch das Arbeiten in Gruppen an, wo jeweils 4 bis 6 Schüler ein bestimmtes Thema bearbeiteten und einer anschließend der Klasse darüber berichtete. An heißen Sommertagen wurde der Unterricht auch schon mal nach draußen verlegt, was wir besonders mochten.

 

Auch unser neue Rektor war uns Schülern gegenüber freundlich zugewandt. Er war bedeutend jünger als sein Vorgänger und hatte immer ein offenes Ohr für die Bedürfnisse und Wünsche für uns Schüler. Selbst wenn man ihn nach Schulschluss auf der Straße traf, grüßte er nicht nur freundlich, sondern unterhielt sich auch mit uns, was für uns eine neue Art der Begegnung war. Außerdem organisierte er Schulfeste, war bei den Bundes-Jugendspielen, die wir absolvierten, anwesend. Auch in den großen Pausen war er oft auf dem Schulhof, sodass er dort auch für uns zu sprechen war. – Mit den neuen Lehrern zog auch eine neue Bestuhlung ein, das gesamte Klassenzimmer änderte sich.

 

Negative Erfahrungen mit meinen Lehrerinnen und Lehrern machte ich während meiner gesamten Schulzeit keine. Ich erfuhr nie Strafen, wurde nicht im negativen Stil ermahnt oder gemaßregelt und mußte auch nie Nachsitzen.

 

Allerdings gab es eine Ausnahme: Ich mußte einige Male, wenn ich einen Lachkrampf bekam, vor die Klassentür gehen, bis dieser vorbei war. Aber dies war keine Strafe, sondern ich lachte ja nicht alleine; aber die schlimmste „Lachtaube“ musste den Raum halt verlassen. Manches Mal standen wir sogar zu Dritt dort.

 

Betonen möchte ich noch, dass ich persönlich nichts Negatives an Erfahrungen mit unserem älteren Rektor erlebt habe, ausser der Sache mit den Einzelkindern. Ich fand es schade, dass der Kontakt zu ihm mehr als dürftig war.

 

Der Unterricht

 

An unsere Handarbeitsstunden erinnere ich mich gerne. Die wurden nach dem Auswechseln des Lehrkörpers nämlich auch schöner. Damals besuchten nur die Mädels den Handarbeitsunterricht. Eine junge Lehrerin brachte uns vom Flicken, Stopfen und Häkeln weg und erarbeitete mit uns andere Formen der Handarbeit. So gehörte auch die Kreativität und die Anregung der Phantasie für bestimmte Arbeiten, wie z. B. Gestaltung und Entwurf einer Tischdecke oder Patchwork-Arbeiten, dazu. Auch war es uns möglich, dass wir Wünsche äußern konnten, welche Art der Handarbeit wir gerne ausführen würden. Wer nicht stricken konnte, dafür aber lieber häkelte, konnte dies tun. Dies wäre zuvor undenkbar gewesen. Einige von uns Mädels wollten gerne das Nähen erlernen, so konnte sich jede ein gewisses Teil aussuchen, welches sie anfertigen wollte.

 

Als das Schreiben mit dem Griffel auf der Schiefertafel eingestellt wurde, durfte ich mir einen wunderschönen Füllfederhaltern in dem bekannten Schreibwarengeschäft Gentzsch in Oberhausen aussuchen. Dieser Füller begleitete mich während meiner gesamten Schulzeit. Selbst dann, als es die moderneren Füller gab, bei denen die Feder nur halb zu sehen war, benutzte ich meinen ersten Füllfederhalter, besonders beim Schreiben von Klassenarbeiten und Briefen, da er so gut in der Hand lag und eine hervorragende Goldfeder besaß und mit Leichtigkeit über das Papier glitt.

 

 

Berufsfindung

 

Bei meiner Einschulung im Frühjahr 1956 wohnte ich mit meinen Eltern in Mülheim-Dümpten; direkt an der Grenze zu Oberhausen.

 

Auf unserer Straße standen zum damaligen Zeitpunkt 5 Häuser, und im angrenzenden Teil von Oberhausen waren es ebenfalls sehr wenige. Es war eine einsame Gegend mit vielen freien Flächen, welche von hohen Hecken eingezäunt waren.

 

Meine Eltern wollten nicht, dass ich diesen Wegen alleine ausgesetzt wurde.

 

Dies wurde zu meiner Schulzeit zu einem Problem, da ich normalerweise in Mülheim-Oberdümpten zur Schule hätte gehen müssen.

 

Der Weg dorthin gestaltete sich noch einsamer, da er im ersten Abschnitt - etwa 30 Min. - nur durch Felder verlief.

 

Da die Volksschule in Oberhausen ganz in unserer Nähe lag, der Weg von unserer Wohnung bis zur Schönefeld-Schule ca. 5 Min. betrug, stellten meine Eltern einen Antrag in Oberhausen, damit die Erlaubnis des anstehenden Schulbesuches eingeholt werden konnte.

 

Im Herbst 1955 ging meine Mutter mit mir zum dortigen Rektor. Dieser stellte mir diverse Fragen und ich musste einige kleine Rechenaufgaben lösen.

 

Danach schaute er sich meine Hände und Fingernägel an, erkundigte sich, wann ich abends ins Bett müsste und danach konnten wir gehen.

 

Nach 2 Wochen der Ungewissheit kam die Erlaubnis für den Schulbesuch in Oberhausen.

 

Ich freute mich riesig auf meine Einschulung. Meine Leistungen in der Schule waren gut und ich ging immer gerne zur Schule.

 

Nach Beendigung der 4. Klasse sollte ich das Lyzeum in Oberhausen besuchen. Im Vorfeld hatten meine Eltern schon früh genug beim Lyzeum in Oberhausen einen Antrag gestellt, damit ich das Gymnasium besuchen durfte.

 

Dies geschah aus den gleichen Gründen wie bei der Volksschule. Wir wohnten noch immer an der Grenze Oberhausen/Mülheim und eine Wegstrecke wäre aufgrund der mangelnden Infrastruktur in Richtung Mülheim 1-1,5 Stunden gewesen.

 

Die Prüfung zur Aufnahme habe ich bei dem Lyzeum in Oberhausen abgelegt und bestanden. 1 Woche vor Schulbeginn nach den Osterferien bekamen meine Eltern den Bescheid, dass ich nicht angenommen werden könnte. Die Begründung lautete: Da es zu viele Bewerberinnen gegeben hätte und die Klassen ausgelastet seien und ich aus Mülheim sei.

 

Also besuchte ich meine alte Schule weiter und war natürlich ziemlich enttäuscht. Meine Eltern haben mir dann mitgeteilt, dass ich nach Beendigung der Volksschule die Möglichkeit hätte - für zwei weitere Jahre auf einer Hauswirtschaft Schule in Oberhausen/Sterkrade - meine Mittlere Reife ablegen zu können.

 

Damit war ich einverstanden, zumal sie noch sagten, dass ich, wenn ich es wünschte, auf einer anderen Schule mein Abitur machen könnte.

 

Diese Aussichten trösteten mich über die erlebte Enttäuschung hinweg. Und so besuchte ich nach meiner Entlassung aus der Volksschule die KÄTE KOLLWITZ Hauswirtschaft Schule in Oberhausen/Sterkrade. Dort wurden alle üblichen Schulfächer unterrichtet, die zur Erlangung der Mittleren Reife erforderlich waren. Aber zudem gab es noch den hauswirtschaftlichen Teil wie Haushaltsführung, Kochen, Bügeln, Gartenarbeit, Aufbau und Funktion von Elektrogeräten.

 

Der Besuch der Käte-Kollwitz-Schule verlangte mir physisch eine Menge ab.

 

Es war eine anstrengende Zeit, da der Weg dorthin aufwendig war. Von unserer Wohnung lief ich forschen Schrittes zunächst 25 Min. bis zur Straßenbahnhaltestelle nach Oberhausen, fuhr 15 Min. mit der Straßenbahn und musste danach in eine andere Bahn in Richtung Sterkrade umsteigen, welche mindestens 20 Minuten unterwegs war, danach folgte ein Fußweg von weiteren 15 Min. bis zur Schule.

 

Die Schule war von morgens 8 Uhr bis nachmittags 15-16 Uhr sowie einmal wöchentlich bis 17 Uhr. Danach kam der Rückweg nach Hause. Dort mussten noch die Hausaufgaben erledigt werden.

 

Nach 2 Monaten entschied ich mich, den Weg mit dem Fahrrad zurückzulegen. Somit ersparte ich mir eine Menge Fahrzeit.

 

Einige Monate, bevor ich meine Mittlere Reife erreicht hatte, verließ mich die Lust, weiterhin die Schule zu besuchen. Ich war gut in der Schule, aber ich wollte nicht mehr, mir fehlte die Motivation, der Wunsch eigenes Geld zu verdienen war groß.

 

Ich habe dies mit meiner Mutter besprochen, aber für sie kam es nicht infrage und sie sagte: „Wir haben doch besprochen, Du machst das Abitur.“ Sie glaubte, es sei nur eine vorübergehende Phase und ich würde wieder zur Vernunft kommen.

 

Mein Vater, der selbstverständlich ebenfalls in das Gespräch involviert war, merkte die Ernsthaftigkeit meines Wunsches, und dass es mir nicht gut ging und ich keine Flausen im Kopf hatte.

 

So kamen wir nach reiflicher Überlegung dazu, dass ich einen Beruf ergreife, der mit Menschen zu tun hätte, denen ich helfen könnte.

 

Karneval Samstag 1966 erweckte eine Stellenanzeige eines Internisten in der Zeitung meine Aufmerksamkeit, denn er bot eine Ausbildungsstelle zur Arzthelferin an.

 

Am Rosenmontag machte ich mich früh morgens auf den Weg zu der in der Anzeige angegebenen Adresse. Meine Mutter wähnte mich in der Schule, nur mein Vater wusste von meinem Vorhaben.

 

Das Gespräch mit dem Arzt verlief angenehm und zum Ende fragte er mich, wann ich anfangen könnte. Meine Antwort kam spontan und ich sagte: „Morgen.“ Er lachte und wollte wissen, ob meine Eltern mit meinem Vorgehen einverstanden seien.

 

Wahrheitsgemäß antwortete ich ihm, dass ich ihm diese Frage nicht genau beantworten könnte, aber ich würde mit ihnen sprechen.

 

Wir vereinbarten, sollten meine Eltern ihre Zustimmung geben, könnte ich ab Aschermittwoch für drei Tage ein kleines Praktikum zur Probe machen.

 

Dieses Angebot nahm ich gerne an und war von der ersten Minute an fasziniert, was mich in meinem zukünftigen Beruf alles an Tätigkeiten erwartete: wie Patientenbetreuung, ein riesiges Aufgebot an Laboruntersuchungen einschließlich der Blutentnahmen, Abrechnungswesen, verschiede Ableitungen im EKG-Bereich sowie das große Gebiet Röntgen, Wundversorgungen und noch viele andere wichtige Dinge.

 

Mir war sofort klar, dass dies der Weg ist, den ich künftig einschlagen wollte.

 

Als Dank für das Praktikum erhielt ich von dem Arzt einen Umschlag, der eine Geldsumme und 2 Kinokarten enthielt.

 

Nach drei weiteren Tagen wurde ich nochmals in der Praxis vorstellig und erhielt die Zusage zur Lehrlingsausbildung zur Arzthelferin. Der dafür erforderliche Vertrag wurde mir ausgehändigt und musste nur noch von meinen Eltern unterschrieben werden.

 

Die Freude meinerseits war riesig, dass ich die Ausbildungsstelle bekommen hatte, denn es gab neben mir noch weitere 11 Mitbewerberinnen.

 

Auch mein Vater freute sich mit mir, als ich strahlend nach Hause kam. Nur meiner Mutter stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.

 

Es war das erste Mal in meinem Leben, dass meine Mutter eine Woche nicht mit mir gesprochen hat, so sehr hatte sie meine Entscheidung verletzt.

 

Sie hat das Schweigen tatsächlich durchgehalten, auch mit meinem Vater. Obwohl sie nicht mit mir sprach, hat sie mir dennoch mein Frühstück zubereitet und mir mein Mittagessen und Abendbrot angerichtet.

 

Mein Vater hat mich getröstet, da ich mit solch einer Situation nicht umgehen konnte und in unserer kleinen Familie nicht kannte.

 

Nach einer Woche habe ich das Gespräch mit meiner Mutter gesucht, mich bei ihr entschuldigt und ihr meine Beweggründe nochmals genau erklärt, warum ich so gehandelt habe.

 

Nach diesem Gespräch war zwischen uns wieder alles im Reinen und wir sind gemeinsam in die Stadt gegangen und haben meine Arbeitskleidung - 4 weiße Kittel - gekauft.

 

Selbstverständlich habe ich auch meine Eltern verstanden, die es lieber gesehen hätten, wenn ich weiter zur Schule gegangen wäre, da sie der Meinung waren, dass ich damit bessere Perspektiven für mein späteres Berufsleben hätte. Zum Glück haben wir diese Situation mit gegenseitiger Achtung und dem entsprechenden Respekt voreinander gut überstanden. Das Thema wurde nie mehr angesprochen und führte zu keiner Zeit zu irgendwelchen Diskussionen oder gar negativen Bewertungen.

 

Im April 1966 begann meine offizielle Ausbildung. Selbstverständlich besuchte ich während meiner Lehre die Berufsschule, die ich gerne besuchte und mit einem bestandenen Examen vor der Ärztekammer beendete.

 

Im ersten Lehrjahr war mein Verdienst 100 DM und im zweiten erhöhte sich der Betrag auch 130 DM. Dieses Geld konnte ich komplett für mich behalten. Wie schon erwähnt, musste die Arbeitskleidung nicht nur selbst gekauft, sondern auch gewaschen und gebügelt werden. Das Stellen der Arbeitskleidung kam erst viele, viele Jahre später.

 

Vom ersten Tag meines Arbeitsantritts habe ich meine Tätigkeit voller Freude und Überzeugung ausgeführt. Die bereichernden Kontakte zu den Patienten, das freundliche Arbeitsklima, das hervorragende Verhältnis zu meinen Kolleginnen, war eine Situation, die sich jeder wünscht, wenn er im Berufsleben steht.

 

Schon kurz vor Beendigung meiner Lehre beherrschte ich alle anfallenden Arbeiten. Ich war sehr wissbegierig, konnte aber auch die an mich gestellten Aufgaben schnell umsetzen. In vielen innerbetrieblichen Situationen bin ich ins kalte Wasser geworfen worden, aber ich stellte mich jeder Herausforderung, war für alles Neue aufgeschlossen.

 

Die Arbeitszeiten waren allerdings immens. Morgens von 7 Uhr bis manches Mal 10-11 Uhr. Erwähnen muss ich, dass mein Chef mich jeden Morgen abholte und abends wieder nach Hause brachte, da ich von allen Angestellten den weitesten Weg hatte.

 

Da das gesamte Personal in der Mittagspause nicht nach Hause ging, sorgte unser Chef für unser leibliches Wohl. Entweder konnten wir mittags in einem nahen gelegenen Restaurant essen gehen oder einer vom Personal ging zum ebenfalls nahe gelegenen Kaufhof mit einer Wunschliste auf Kosten des Arztes für uns in der Delikatessenabteilung einkaufen. Anschließend haben wir in fröhlicher Runde zusammen gespeist. Jeden Freitag gab es einen großzügigen Extrabonus für geleistete Arbeit in der Woche.

 

Nach Beendigung meiner Lehre bekam ich sofort die Leitung der großen internistischen Praxis, die inzwischen in ein sehr modernes Ärztehaus umgezogen war, übertragen, was auch für mich mit einer deutlichen Gehaltserhöhung verbunden war. Trotz der vielen Arbeit hatte ich das große Los mit meinem Arbeitgeber gezogen, denn er ließ mir immer freie Hand, wir kommunizierten auf Augenhöhe und meine Meinung war ihm wichtig.

 

Nach 6,5 Jahren verließ ich die Praxis aus privaten Gründen und trat eine leitende Stellung in einer Mülheimer Hausarztpraxis an, die sehr internistisch ausgerichtet war. Allerdings führten wir dort auch kleine chirurgische Eingriffe durch. 25 Jahre habe ich dort mit dem gleichen Arzt vertrauensvoll zusammengearbeitet, bis er schließlich seine Praxis an seinen Sohn übergab.

 

Ich hatte großes Glück. Auch diese Zusammenarbeit mit dem jungen

 

Arzt gestaltete sich als ausgesprochen angenehm und auf der Basis gegenseitigen Vertrauens. Er unterstütze mich sehr darin, alle sich mir bietenden Möglichkeiten mein Wissen auf vielen Gebieten noch mehr zu erweitern. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse konnte ich beruflich einsetzen und an meine Kolleginnen weitergeben.

 

Alle drei Ärzte haben mir während meiner gesamten Berufszeit die Möglichkeit zur Weiterbildung ermöglicht und mich dabei unterstützt. So besuchte ich unzählige Seminare und Weiterbildungsmaßnahmen. Spezialisierte mich auf das „Thema Diabetes mellitus“, welches ich bis zum Ende meiner Berufstätigkeit beibehalten habe. Dadurch war es mir möglich eigenständige Schulungen mit Patienten und Arzthelferinnen durchführen zu können. Ebenfalls bekam ich die Chance für pharmazeutische firmen Seminare abhalten zu dürfen, was für mich eine zusätzliche Bereicherung war.

 

Dies war zwar mit viel Reisen, Lernen neuer Lehrstoffe und Mühen verbunden, aber ich habe es als positive Erfahrung gesehen, die ich auch an unsere Patientenklientel weitergeben konnte.

 

Wenn mich heute jemand fragt, ob ich meinen Schulabbruch bereuen würde, so kann ich diese Frage - bezogen auf die damalige Zeit und unserer Wohngegend - mit einem klaren „Nein“ beantworten.

 

Im Laufe von über 5 Jahrzehnten habe ich so viele nette Menschen kennengelernt, so viel an Zuneigung erfahren, so viele positive Erfahrungen machen dürfen, unendlich viele, liebevoll geschriebene Zeilen bekommen und etliche, durch meinen Beruf bedingte Freundschaften geschlossen.

 

Allerdings kann ich mir heute gut vorstellen, dass ich bei einer zentraleren Wohnungslage mit besserer Anbindung an den Nahverkehr eine andere Lösung und Entscheidung in Betracht ziehen würde, aber es hätte wieder etwas mit Menschen zu tun.

 

 

Hobby´s in der Jugend

 

Es gab schon früh in meiner Jugend drei Leidenschaften, die alle zu meinem Hobby wurden.

 

Dies waren das Lesen, Handarbeiten und sportliche Betätigungen wie das Schwimmen und Radfahren. 

 

Das Lesen von Büchern ist bis heute ohne Unterbrechung mein allergrößtes Hobby.

Bücher gehören zu meinem Leben, dazu zählen nicht nur Romane, sondern alles, was mich interessiert und mein Wissen erweitern kann, wird geradezu von mir verschlungen.

 

Zu jedem Geburtstag, Ostern, Nikolaus und zu Weihnachten lagen auch Bücher auf meinem Gabentisch. Meine Eltern haben in ihrer Freizeit ebenfalls viel gelesen und  regelmäßig wurden bei Bertelsmann Bücher bestellt, wobei auch für mich öfters außer der Reihe eines mit bestellt wurde.

 

Nach meiner Einschulung 1956 bekam ich das Buch „ Mein Schülerlexikon“ geschenkt. Ich war total aus dem Häuschen. Die vielen Bilder und die dazugehörigen Beschreibungen in diesem Buch führten dazu, dass meine Eltern meinerseits mit Fragen von mir überschüttet wurden, da ich zu diesem Zeitpunkt das Lesen noch nicht vollständig beherrschte. Zum Glück erlernte ich es sehr schnell und war alsbald häufiger Gast in der Schulbücherei.

 

Schon als Kind liebte ich es, wenn ich es mir in den Sommermonaten mit einem Buch im

 

Garten gemütlich machen konnte. In der kühleren Jahreszeit machte ich es mir in einer Sofaecke bequem und vergaß dabei  Zeit und Raum. Ab Anfang der 1960-er Jahre, als wir in unser eigenes Haus zogen, genoß ich die Ruhe zum Lesen in meinem eigenen Zimmer.

 

Nachdem ich das Schwimmen erlernt hatte, war es aus meinem Alltag nicht mehr weg zu denken. Im Sommer, wenn es das Wetter zuließ, bin ich im Alter von 10 Jahren mit meiner Freundin auf dem Fahrrad zum Schwimmbad Kempgenshof in Mülheim gefahren.

 

Das Schwimmbad  war klein, aber fein. Es war ein Schwimmbad, in dem man sich richtig wohlfühlen konnte, und wir vor allen Dingen das Schwimmen in vollen Zügen und ausgiebig genießen konnten.

 

In den Herbst- und Wintermonaten 1959/1960 kam ich auf die Idee, ich könnte ja im Oberhausener Stadtbad meinem Hobby des Schwimmens weiter frönen. Also dachte ich,  nichts wie hin. Ich fuhr - wieder mit meiner Freundin - mit dem Fahrrad zum Schwimmbad nach Oberhausen. Nach der ersten Schwimmstunde stand für mich fest: Dieses Vergnügen wollte ich öfters genießen. Somit erkundigte ich mich nach dem Preis, wenn ich einem Schwimmverein beitreten würde. Er war, wenn ich mich richtig erinnere, monatlich um die 3 oder 4 Mark.

 

Die Begeisterung meiner Eltern hielt sich in Grenzen, da der Weg dorthin lang, und auch durch den zunehmenden Strassenverkehr nicht ungefährlich für ein 10jähriges Mädchen auf dem Fahrrad war.

 

Aber nach zahlreichen Bitten meinerseits gaben sie mir die Erlaubnis, und ich konnte mich im Stadtbad anmelden. So fuhr ich bis zu 3 Mal wöchentlich ins Schwimmbad, manches Mal noch mehr, und erfreute mich an meiner sportlichen Betätigung.

 

Und wie es das Schicksal so wollte, befand sich in unmittelbarer Nähe des Schwimmbades die Stadtbücherei von Oberhausen. Ich konnte mein Glück kaum fassen.

 

Natürlich stolzierte ich, als ich das sah, sofort in das Gebäude und fragte eine nette Dame, ob ich als Mülheimerin auch bei Ihnen Bücher ausleihen dürfte. Die Antwort war ein klares „Ja“.

 

Ich bekam ein Anmeldeformular ausgehändigt und mußte es, unterschrieben von meinen Eltern, wieder abgeben. Dies geschah natürlich von meiner Seite gleich am nächsten Tag, und ich suchte mir zwei Bücher aus, die ich nach drei Wochen wieder zurückgeben mußte. Die Gebühr war minimal, und ich glaube, sie mußte nur ein Mal im Jahr bezahlt werden.

 

Etliche Jahre habe ich von dieser Annehmlichkeit Gebrauch gemacht.

 

Das Handarbeiten in jeglicher Arten hat mich ebenfalls begeistert. So bekam ich mit 5 Jahren eine Strickliesel, die mich jedoch nach kurzer Zeit langweilte, da man nur wenige Maschen stricken konnte und nur ein rundes Band das Ergebnis war.

 

So zeigte mir meine Mutter als erstes, wie ich Topflappen häkeln konnte. Zunächst einfache Muster und Maschen, und als das Ergebnis stimmte, lernte ich alle mögliche Arten der Häkelei.

 

Schnell kamen weitere Handarbeiten hinzu, die ich in Angriff nahm. Das Sticken in seinen gesamten Facetten. Weiter beschäftigte ich mich mit Näharbeiten.

 

Angefangen habe ich mit Servietten und Kopfkissenbezügen. Als das klappte, wurde ich mutiger und nähte mir Röcke und Blusen.

 

Aber noch mehr Interesse hatte ich am Stricken. Mit einem Schal habe ich begonnen und im Laufe der Jahre die schönsten Pullover und Strickjacken mit tollen Mustern hergestellt.

 

Als ich 18 Jahre alt war begann ich mit dem Knüpfen von Teppichen, d.h. 2 größere Brücken, die später, nach meiner Heirat, in unserem großen Wohnzimmer ein Hingucker waren. Heute sind sie leider nicht mehr zeitgemäß, und sie liegen gut verpackt im Keller.

 

Als erwachsene und verheiratete Frau widmete ich mich dem Schießsport und wurde Sportschützin. Mein Fokus lag auf der Sportpistole, mit der ich nach etlichen Prüfungen auf vielen Meisterschaften antrat. Mal alleine, aber auch in einer Mannschaft. Einige Jahre betrieb ich diese Sportart aktiv, aber mit der Zeit stellte ich fest, dass das intensive Training und die monatelangen Reisen zu den Wettkämpfen auf Dauer - neben meiner Berufstätigkeit - zu viel Zeit in Anspruch nahmen, so dass ich vom aktiven Sport zurückgetreten bin.

 

Haben meine Hobbys mich geprägt, oder hatten sie Auswirkungen auf mein Leben?

 

Diese Frage beantworte ich so:

Wenn ich heute auf meine Hobbys zurückblicke, so muss ich feststellen, dass sie alle nur mit viel Freude, Spaß und Interesse an der Sache, mit Geduld und Genauigkeit, mit dem Gefühl innerer Ruhe und Gelassenheit sowie mit einer erheblichen Form von Konzentration, Selbstbewusstsein und Fleiß, durchgeführt werden konnten.

 

Genauso bin ich alle meine nachfolgenden Projekte in meinem Leben angegangen.

Ernährung und Essen in den 50iger Jahren

 

Tischmanieren bekam ich als Kind schon sehr früh beigebracht, was bedeutete, dass nicht mit vollem Mund gesprochen wurde und man beim Essen den Ellenbogen nicht auf dem Tisch liegen hatte, wenn Löffel oder Gabel zum Mund geführt wurden. Natürlich mußten vor den Mahlzeiten die Hände gewaschen werden.

 

In Erinnerung habe ich noch, dass der Tisch, an dem gegessen wurde, immer mit einer Tischdecke versehen und gut eingedeckt war. Schon sehr früh konnte ich mit Messer und Gabel völlig selbständig essen. Das Kinderessbesteck schenkte mir meine Großmutter, ebenfalls immer wieder Geschirrteile des bekannten Hahnenmusters.

 

Was das Essen anbelangte, war ich unkompliziert, da ich immer gerne, die von meiner Mutter zubereiteten Mahlzeiten, gegessen habe. Sie waren stets appetitlich angerichtet, ausgesprochen geschmackvoll, vielseitig, abwechslungs - sowie vitaminreich zubereitet.

 

Allerdings gab es eine Ausnahme. Ich mochte partout keine Milch trinken, denn sie schmeckte mir nicht. Daher bekam ich bis zu einem gewissen Alter jeden Abend entweder eine Haferflocken-Suppe, Milchreis mit Obst oder Griesspudding mit Himbeersaft, bevor ich noch etwas anderes vom Abendbrottisch verzehren durfte. Später haben wir uns auf Kakao, Quark und Joghurt geeinigt, und das Problem war für mich gelöst.

 

Unser Frühstück bestand aus Brot oder Stuten mit selbst hergestellten Marmeladen der verschiedensten Obstsorten und Honig. Für mich gab es warmen Kakao und meine Eltern tranken Schwarztee. An den Wochenenden kam noch ein gekochtes Ei, etwas Wurst und Käse hinzu.

 

Das Mittagessen war sehr unterschiedlich, und wie man heute sagen würde, alles Bioware aus dem eigenem Garten.

 

Unter der Woche bereitete meine Mutter Eintöpfe von frisch geernteten Gemüsesorten zu. Ebenfalls gab es Kohlrabi, Spinat, Mangold, Erbsen, Bohnen, Möhren sowie gestovten

 

Wirsing, einzeln zubereitet in leckeren Kräutersoßen. Dazu wurden Kartoffeln und als Fleischprodukte entweder Bratwurst, Frikadellen, Lummerkottelets, Hackbraten (auch Falscher Hase genannt) oder falsches Kottelett (dies war eine magere panierte  Scheibe Bauchspeck) gereicht. Meistens war auch ein Nachtisch vorhanden, so z. B. Wackelpeter mit Vanillesoße, Quark mit frischem Obst oder Früchte aus dem Garten.

 

Freitags stand grundsätzlich Fisch auf dem Speiseplan, entweder gekocht oder gebraten. Dafür ging meine Mutter an jedem Freitag morgens zu Fuß von unserer Wohnung in Mülheim-Dümpten in die Innenstadt nach Oberhausen zu Fisch Schmitz. Gleichzeitig brachte sie für uns alle 3  eine Fischfrikadelle und eingelegte Salzgurken mit, die es dann abends gab. Manchmal kaufte sie auch grüne Heringe, die mein Vater gerne aß, welche gebraten und anschließend sauer eingelegt wurden. Zuerst mußten sie aber ausgenommen und von den Schuppen befreit und reichlich gewaschen werden. Frühestens nach 3 - 4 Tagen konnten die Bratheringe gegessen werden. Seltener gab es geräucherten Heilbutt oder Schillerlocken.

 

Natürlich standen auch fleischfreie Tage auf unserem Speisezettel. So zum Beispiel Nudeln mit gemischtem Trockenobst. Die getrockneten Pflaumen, Aprikosen, Apfelstücke und Birnen wurden über Nacht eingeweicht und am nächsten Tag kurz geköchelt. Anschließend mit einer  süß-saueren Soße zubereitet und über die Nudeln gegeben. Was wir auch gerne mochten, war eine köstliche Tomatensoße mit Nudeln und einem großen Teller mit gemischtem Salat.

 

In den Sommermonaten, wenn es sehr heiß und der Appetit eh nicht so groß war, bereitete meine Mutter Kaltschalen in Form einer Obstsuppe mit Eiweiß- oder Griessnocken zu. Erdbeeren oder rote Johannisbeeren mit Vanillepudding unter den noch Eischnee gehoben wurde, war auch eine gern gegessene Variante. Auf Wunsch meines Vaters wurde für ihn Dickmilch hergestellt. Dabei wurde Milch in einer flachen Porzellan-Schüssel auf die Aussenfensterbank in die Sonne gestellt, und binnen einiger Stunden war die Dickmilch fertig. Sie hatte eine festere Konsistenz wie Joghurt, und  sie wurde von meinem Vater mit Obst oder einfach nur mit Zucker bestreut gegessen.

 

Sonntags wurden Braten von unterschiedlicher Art, Rolladen oder Gulasch zubereitet. Zuvor durfte die Vorsuppe nicht fehlen, und ein Dessert war immer vorhanden, genauso wie der Kuchen am Nachmittag.

 

Das schöne an dem Sonntagsessen war, dass es immer noch für den Montag mit reichte.

 

Mein Vater hatte gewisse Speisen, die er gerne aß, aber meine Mutter und ich überhaupt nicht. So war es mit dem Schlabberkappes. Dabei wurden gewürfelte Kartoffeln gekocht und hinzu kam frischer grüner Blattsalat. Beide Komponenten wurden mit einer leicht säuerlichen Soße vermengt, eine ziemlich glitschige Angelegenheit. Als Beilage gab es gebratene Blutwurstscheiben oder gebratenen Panhas. Eine weitere Vorliebe hatte er für Erbswurstsuppe zum Abendbrot.

 

Zwei weitere Gerichte konnten mich ebenfalls nicht in Begeisterung versetzten. Dies waren Himmel un Ääd, eine rheinische Spezialität, aus Kartoffelbrei mit Apfelmus und gebratener Blutwurst, sowie Birnen, Bohnen und Speck, ein Gericht, welches aus Hamburg, der Geburtsstadt meiner Mutter, stammte.

 

Außer Leber, die es zum Glück nur alle paar Monate gab, waren Innereien bei uns tabu. Ich mochte sie sowieso nicht essen.

 

Allerdings hatten mein Vater und ich zwei Favoriten, die nur wir beide voller Genuss verspeist haben. Das war frisches Brot mit Butter und Harzer Käse. Noch heute ist es eine Köstlichkeit für mich. Und zum anderen ein Gemisch aus Haferflocken, Milch, Zucker und Kakao, kalt gegessen, einfach lecker.

 

Auch war es zur damaligen Zeit nicht - so wie heute üblich-, dass eine Auswahl unterschiedlichster Säfte, Sprudelsorten, Coca Cola oder gar alkoholische Getränke bei uns zum Essen gereicht wurden.  Es stand zum Mittagessen nur ein Glas mit Wasser bereit.

 

Abends tranken wir Pfefferminztee, verschiedene Sorten an Früchtetee Muckefuck der später durch Carokaffee ersetzt wurde, oder gekochten Kakao, welcher Anfang der 60er Jahre durch löslichen Nesquick einfach nur mit kalter Milch angerührt werden mußte.  Kondensmilch kam bei uns nur für Tee oder Kaffee zum Einsatz.

 

Die Abendmahlzeiten gestaltete meine Mutter stets anders. Mal gab es Pfannkuchen, so, wie sie jeder von uns gerne hatte, das hieß mit frischem Obst oder gebratener Mettwurst. Rührei, Reibekuchen, kleine Salate und Butterbrote mit Wurst, Käse oder selbst gemachtes Schmalz sorgten für Abwechslung. Mal wurde auch eine Fischkonserve geöffnet, russisches Ei oder Rollmöpse auf den Tisch gestellt. Auch füllten ab und zu  Buchweizen-Pfannkuchen mit Rübenkraut unsere Teller. Brotscheiben belegt mit Tomaten sowie Quark mit Schnittlauch und anderen Kräutern angerührt, ergänzten das Angebot auf dem Tisch.

 

Leidenschaftlich gerne habe ich die Üffelkes gegessen. Aus kalten gekochten Kartoffeln, die fein gestampft, mit 1-2 Eiern, Pfeffer, Muskat, Salz und etwas Mehl verrührt waren, wurde eine geschmeidigen Maße angefertigt. Der entstandene Kartoffelteig wurde mit den Händen in ovale, circa 1 cm dicke und mit einem Durchmesser von etwa 10cm Breite in Form gebracht und in heißem Fett in der Pfanne gebraten, sodaß sie nur leicht gebräunt waren. Dazu gab es selbst gemachte Remoulade und einen frischen Salat, einfach köstlich.

 

An Festen, wie Geburtstagen, Weihnachten, Ostern, Silvester und Neujahr kamen stets ganz besondere  Gerichte auf den Tisch.

 

Erwähnen möchte ich noch, dass meine Mutter und ich jeden Montag mit meiner Oma mütterlicherseits nachmittags in Oberhausen bummeln gingen, Ausflüge unternahmen oder Friedhofsbesuche, die anfielen, erledigten. Gegen Abend gingen wir 3 gemeinsam zum Essen in ein Restaurant, meistens oben ins Kaufhaus - Restaurant bei Magis in Oberhausen. Dies war immer ein Genuss und eine Freude der besonderen Art für mich. Ich glaube, schon damals wurde damit der Grundstein dafür gelegt, dass ich auch heute noch gerne in guten Restaurants essen gehe.

Reisen in den 50iger Jahren

 

Ein Kurzurlaub in den 50er Jahren ins Sauerland

 

Reisen standen bei uns in den 50er Jahren nicht auf dem Plan, denn meine Eltern waren in den ersten Jahren ihrer Ehe damit beschäftigt, sich eine finanzielle Grundlage zu schaffen und für uns einen gewissen Wohlstand herzustellen. Weiter hatten sie schon damals den großen Traum, ein eigenes Haus zu besitzen, den sie nicht aus den Augen verloren und welcher Anfang der 60er Jahre  endlich wahr wurde.

 

Somit waren wir in meinen Schulferien immer Zuhause, was mich jedoch nicht störte, denn wir unternahmen bei gutem Wetter Ausflüge in die nähere Umgebung, mit einer Freundin und deren Mutter besuchte ich das Freibad, oder ich spielte mit meinen Freundinnen und Freunden, die ebenfalls keine Urlaubsreise mit der Familie unternahmen.

 

Dennoch gab es eines Tages eine Ausnahme.  In den Sommerferien 1958 fuhren wir mit Freunden meiner Eltern in einem VW-Käfer nach Brilon ins Sauerland, um befreundete Bekannte unserer beider Familien zu besuchen, die dort ein Hotel besaßen.

 

Die Hinreise in dem Auto bei hochsommerlichen Temperaturen, war eine Belastung für uns alle, denn Klimaanlagen gab es noch nicht. Ebenfalls waren die Straßen teilweise auch eine Herausforderung für das vollbesetzte Auto. Wir fuhren mit 2 Wagen, da die ältere Tochter der Freunde schon im Besitz eines  Führerscheines war und einen kleinen Fiat fuhr.

 

Vor Antritt der Fahrt kam von dem Fahrer die obligatorische Frage: „ Wart Ihr auch alle nochmal auf dem Klo?“  Wir lachten herzlich darüber. Doch nach etwa ½ Stunde Fahrzeit wusste ich genau, warum er diese Frage gestellt hatte.

 

Wir waren noch nicht lange unterwegs, da wurden, die in Pergamentpapier verpackten  Brotscheiben, mit  Leberwurst und Käse belegt, aus der Tasche hervorgeholt und verteilt. Die hartgekochten Eier, Essiggurken  und Frikadellen durften natürlich auch nicht fehlen und wurden von uns verputzt. Innerhalb kürzester Zeit roch es in dem Auto wie in einer Werkskantine, sodaß unser Fahrer die winzigen Kippseitenfenster nach außen stellte, natürlich mit dem Kommentar, die Sitze nicht zu verschmutzen.

 

Die Fahrt verbrachten wir in ausgelassener Stimmung, es wurde gemeinsam gesungen, und nach einigen Stunden erreichten wir unser Ziel, wo wir auf das Herzlichste von den Bekannten empfangen wurden.

 

Nachdem wir uns in unseren Zimmern eingerichtet hatten, gingen wir los, um gemeinsam die Umgebung zu erkunden. Das Hotel, ein gepflegtes Fachwerkgebäude, befand sich außerhalb des Ortes direkt am Waldrand gelegen.

 

Während sich die Erwachsenen angeregt unterhielten,  streiften wir Jugendlichen durch den Wald oder spielten mit unseren mitgebrachten Gesellschaftsspielen.

 

Abends wurde feudal gespeist und anschließend zur Musik einer kleinen Kapelle getanzt. Alle waren fröhlich und guter Dinge. Die nächsten beiden Tage waren bestückt mit Ausflügen, Essen, Ruhen im Liegestuhl, Schwimmen in einem nahegelegenen Baggersee und stundenlangen Unterhaltungen.

 

Viel zu schnell ging die schöne Zeit in der herrlichen Landschaft dem Ende entgegen, und Wehmut über den Abschied machte sich bei allen breit.

 

Auf der Rückreise machten wir auf einem Rastplatz eine kleine Pause. Die Erwachsenen wollten sich die Beine vertreten, und wir Jugendlichen bekamen plötzlich Appetit auf Süßigkeiten.

 

Da fiel mir ein, wir hatten eine Tafel Schokolade bei unserer Abfahrt, also 3 Tage zuvor, ins Handschuhfach gelegt. Die Sonne hatte den Wagen tagsüber enorm erhitzt.

 

Die jüngste Tochter der Freunde holte die Tafel aus dem Fach, riß, ohne weiter zu überlegen das Papier auf, und die flüssige Schokolade spritzte nur so durch die Gegend und lief an ihren Händen herunter. Ihre Kleidung war von oben bis unten voller Schokoladensprenkel und plötzlich - wir schauten uns an - brachen wir in ein schallendes Gelächter aus, sodass wir kaum noch Luft bekamen. Wir haben uns allesamt gebogen vor Lachen und hatten dadurch eine lustige Heimreise.

 

Dies war mein erster Kurztrip in die weite Welt. Es waren zwar nur drei Tage, aber sie haben uns viel Freude bereitet.

War ich ein liebes Kind ?

Als ich diesen Satz gelesen habe, dachte ich, was soll ich darüber schreiben. Ferner kam mir der Gedanke, dass diese Frage, ob ich ein liebes Kind gewesen sei, nur Menschen beurteilen könnten, die mich während meiner Kindheit begleitet haben. 

Sogleich kamen mir meine Eltern, Großeltern, Nachbarn und einige Familienmitglieder in den Sinn. Leider kann keiner von ihnen diese Frage mehr beantworten, denn all diese  Menschen leben nicht mehr.

 

Nach intensiverer Beschäftigung mit dieser Frage, wurde dieses Thema für mich immer interessanter. Ich wurde 1949 geboren, somit begann ich mit einer Art von Selbstreflektion in die Jahre 1954 bis 1959, so quasi eine kleine Rückreise in meine Kindheit, bezugnehmend auf mein Verhalten und gegenüber meinen Mitmenschen; und wie ich auf sie gewirkt haben könnte.

 

Wichtig, und ausdrücklich zu erwähnen ist, dass ich mit meiner  Familie in einer Gegend wohnte, in der das nachbarschaftliche Zusammenleben einwandfrei funktionierte. Die meisten der Anwohner kannten sich seit ihrer Jugendzeit und duzten sich untereinander.

 

Natürlich galt dies nicht für uns Kinder, wir siezten selbstverständlich die Erwachsenen.

Ich war allerdings für alle Nachbarn die Jutta.

 

An Probleme meinerseits, die meine Kindheit negativ beeinflusst hätten, kann ich mich nicht erinnern. Im Gegenteil, es gibt viele positive Erfahrungen und Erlebnisse, die mir in Erinnerung geblieben sind.

 

Ich wuchs behütet in einem guten Elternhaus auf, hatte Großeltern, denen ich immer mit meiner Anwesenheit willkommen war. Meine Eltern hatten mir gute Umgangsformen beigebracht. Höflichkeit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, waren eine Selbstverständlichkeit, ebenso Ehrlichkeit und Empathie gegenüber Menschen und Tieren.

 

Innerhalb der Familie gemocht zu werden, sollte,  so denke ich, normal und eine Voraussetzung für ein gutes Gedeihen einer Kinderseele sein.

 

Es gab aber auch viele Nachbarn, die, wenn ich heute darüber nachdenke, mir stets überaus freundlich zugewandt waren, was mich riesig gefreut hat.

 

Um dies zu verdeutlichen nenne ich einige Beispiele:

 

Von einer Familie wurde ich des öfteren zu Sonntagsausflügen mitgenommen. Sie verwöhnten mich mit Eis, Kuchen und Kakao in edlen Restaurants. Natürlich wurden meine Eltern vorher gefragt. Ich habe diese Ausflüge genossen, denn wir fuhren immer mit dem Auto.

 

Eine Nachbarin gab mir stets etwas zum Naschen, sobald sie mich sah. Für eine gehbehinderte Nachbarin ging ich häufiger Lebensmittel einkaufen. Wenn ich die Sachen ablieferte, stand schon der Kakao mit Plätzchen für mich bereit und es gab ein paar Groschen.

 

Von der Dame, die eine kleine Trinkhalle in unserer Nähe betrieb, bekam ich regelmässig, wenn die Bonbongläser leer wurden, eine große Tüte der Reste, die übrig waren.

 

Mit meinen Freundinnen gab es keine Schwierigkeiten, ebenfalls nicht in der Schule.

 

Ab und zu mußte ich in der Schule zwar mal vor die Klassentüre gehen, da ich einen Lachkrampf nicht abstellen konnte, und meine Mitschüler damit ansteckte, was sich allerdings nicht auf meine Leistungen oder Noten auswirkte.

 

In unserer Familie wurde viel gelacht, ich wurde nie alleine gelassen, es war immer jemand für mich da. Gleichzeitig hatte ich durch unsere wenig bewohnte Gegend, ein großes Potential an Freiheit beim Spielen, umgeben von riesigen Feldern, Wiesenflächen und vereinzelten Biotopen.

 

Unseren großen Garten und die Tiere, die mich umgaben, habe ich geliebt. Insgesamt gesehen hatte ich eine schöne Kindheit und war ein unaufgeregtes  sowie zufriedenes Kind.

 

Wenn ich einen Ausspruch meines Vaters zugrunde lege, der wie folgt lautete:“ Wenn ich gewusst hätte, dass jedes weitere Kind so wie Jutta gewesen wäre, hätte ich davon gerne 10 gehabt. Ich glaube sagen zu können, ja ich war ein liebe und freundliches Kind.